3 Jahre ungefähr seit dem letzten Blogbeitrag, nehmen wir die Kurzgeschichten raus, sogar 4 Jahre. Was war los? Was ist so passiert?
Es muss die letzte Woche des Januars 2015 gewesen sein. Ich stand in Jena um 3 Uhr Nachts auf einer Bahnüberführung und hatte mir folgende Reihenfolge in meinem Kopf zusammengelegt: Zum Geländer gehen, Schuhe ausziehen, über das Geländer steigen und dann mit dem Rücken zuerst fallen lassen. Immer wieder ging ich diese Reihenfolge in meinem Kopf durch.Ich musste das jetzt machen, es gab kein Zurück. Davor waren schon andere Versuche vorangegangen, mal mit Rasierklingen, dann wieder mit Tabletten. Doch waren die Schnitte nie tief genug und die Dosen nie hoch genug. Das ich keine Kraft mehr für das Leben habe, hatte ich schon im Sommer 2014 festgelegt. Ich war seit 8 Semestern eingeschrieben für einen Studiengang, wo mir an allen Ecken noch Credits fehlten um überhaupt den Bachelor anzumelden. Mein Bafög war ausgelaufen und bald würde ich auch selbst meine Krankenkasse zahlen müssen.Und selbst wenn ich mir vorstellte all diese Hürden genommen zu haben, so konnte ich mich nicht mehr davon überzeugen, dass es ja danach schon irgendwie weitergehen würde. Ich war ein hoffnungsloser Fall. Und dann begann dieses bekannte Prozedere. Den Kontakt zu Freunden abbrechen, das Telefonkabel aus der Wand ziehen, damit keine Anrufe durchkommen, Tagelang das Zimmer nicht verlassen. Wenn Leute zu mir durchdringen wollten, hab ich abgewunken und irgendeinen Spruch abgelassen, der ja garnicht so gemeint war.
Und so stand ich also auf dieser Brücke. Geländer, Schuhe, Springen. Geländer, Schuhe, Springen. So stand ich wahrscheinlich ne Stunde lang rum. Und keine Ahnung, wo dann dieser Umschwung herkam. Vielleicht war es einfach diese Angst, die mich schon die Klingen nicht tief genug in Fleisch bringen ließen. Vielleicht war da auch sowas wie ne kleine Hoffnung. Keine Ahnung. Ich setzte mich in den nächsten Zug nach Berlin, erzählte meinen Schwestern alles, machte mit ihnen einen groben Plan für die nächsten Tage und fuhr nach 2 Tagen wieder nach Weimar. Dort lud ich meine Freunde zu einem Gespräch ein. Am nächsten Tag ging es dann zur Notaufnahme mit ihnen. 21 Tage war ich in der psychatrischen Abteilung der Klinik. Gespräche wurden geführt, Gesellschaftstänze geprobt, Frühsport betrieben und Speckstein geschnitzt. Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen höhnischer an, als es war. Ich hab das gebraucht. Leute zu treffen, die ähnliches oder krasseres durchmachen, das Gefühl von Gemeinschaft, sich einen Tagesablauf aufbauen. Natürlich ging ich nicht aus der Klinik und alles war gut. Eigentlich sollte und wollte ich mich danach für die Tagesklinik anmelden. Ich habe nie ihre Anrufe beantwortet. Auch die Medikamente habe ich nach nichtmal 2 Monaten wieder abgesetzt. Und ich war auch manche Nacht auf der Suche nach Brücken in Weimar... Erst im August 2015 fing ich an, wirklich Fuss zu fassen. Krankenkasse anmelden, Hartz 4 beantragen, sich über die Möglichkeiten einer Ausbildung informieren.
Und nun 2 Jahre später, sieht alles gerade ganz gut aus. Ich habe meine einjährige Ausbildung zum Sozialassistenten abgeschlossen und beginne in 2 Wochen mit meiner dreijährigen Ausbildung zum Erzieher. Gerade lösen Max und ich unsere WG auf und ich hatte in den letzten Wochen wieder einige zermürbende Selbstgespräche über WG-Besichtigungen und entgegen aller Befürchtigungen habe ich schon ne Zusage in der Tasche.
Außerdem hat Bob in mein Leben gefunden. Auch wenn der Name etwas anderes vermuten lässt, handelt es sich dabei um eine junge Frau, die sich kurz nach meinem Krankenhausaufenthalt in mein Leben begab und sich seitdem sehr viel Mühe gibt, es mit mir auszuhalten. Wir beide haben unsere Dämonen, an denen wir zu Kämpfen haben und natürlich kann man sich davon nie vollends gegenseitig befreien, aber wenigstens kann man sie einem Gegenüber erklären. Mittlerweile sind es nun 2 1/2 Jahre und ich fürchte ich bin ein ziemlich langweiliger Partner, aber bis jetzt hat sie sich noch nicht abgewendet, obwohl ich es ihr öfter anbiete.
Puhhh, eigentlich hatte ich gehofft, ich hätte das mit den Texten schreiben nicht verlernt, aber gerade bin ich nicht so wirklich zufrieden mit dem hier. Immerhin sind 3 Jahre vergangen, da hatte ich mir erhofft, dass meine Zusammenfassungen emotionaler klingen. Aber vielleicht sind wir hier schon bei der größten Veränderung.
Ich habe gern meine Depression mit einer gewissen verzweifelten Romantik verbunden, und es kann sogar sein, dass es manchen Texten die gewisse Note gab. Aber mein Umgang mit meinen Emotionen hat am Ende eine Lösung für mich ergeben. Pragmatismus. Dabei handelt es sich nicht um mein gesamtes Weltbild oder die Sicht auf meine Mitmenschen, sondern viel eher um den Umgang mit meinen Problemen und Ängsten. Natürlich habe ich immer noch keine Lust in den Briefkasten zu schauen, da wahrscheinlich eh nur GEZ Briefe und andere Rechnungen auftauchen werden, aber was bringt das Ignorieren. Mithilfe des Pragmatismus nehme ich mir viele Ängste. Aber nicht nur die negativen Emotionen schwäche ich so ab, auch Sachen wie Freude verlieren an Strahlkraft. Erzieher werden ist nicht mein großer Lebenstraum. Ich habe ne soziale Ader, ich finde das interessant und anscheinend hab ich da ein gewisses Talent. Es ist eher eine logische Entscheidung, als eine Selbstfindung. Ich mag meine Mitmenschen, meine Familie. Aber ich weiß, dass das alles eine zeitliche Begrenzung hat. Ich freue mich über Hochzeiten und Geburten im meinem Umfeld, doch selbst kann ich mich nicht für sowas begeistern. Es ist alles ein bisschen wie ein Schulter zucken. Man lässt sie danach nicht hängen, aber es ist halt so wie es ist. Ich bin und werde kein Abenteurer mehr. Meine wilden Jahre sind vorbei, obwohl selbst die kaum Gebrauchtspuren aufweisen.
Ich habe meinen Frieden mit dem Leben geschlossen. Es hat mich viel Zeit gekostet und in unserer Wirtschaftform damit auch Geld, und das wird mich immer ärgern. Aber nun bin ich halt mit allem ein bisschen später dran. Sonst versuche ich mein Leben ein bisschen nach dieser Philosophie auszurichten. Kein Arschloch sein, bisschen Empathie und bewusstes Handeln in die Außenwelt tragen und einfach mal alles gut sein lassen. Nicht, dass mir das alles immer gelingen würde, aber man kann es ja mal versuchen.
Was kann ich noch sagen? Das hier ist kein Neustart, der Kessel wird nicht neu begonnen. Hab manchmal Bock auf podcasten, aber hab selber kein Plan worüber und wem ich das machen könnte. So lange bleibt mein kreativer Output wahrscheinlich nur ab und zu ein Let´s play zu veröffentlichen.
Also dann Leute, ich hoffe ihr verliert nicht den Mut eure alltäglichen Kämpfe zu bestreiten, und irgendwie kriegen wir das alles hin. Martin viel Erfolg mit seinen neuen Tracks und Oli viel Kraft für alle folgenden Ereignisse.
Und zum Schluss ein ehrliches Dankeschön an euch da draußen, ihr habt nicht an Bedeutung für mich verloren, egal wie oft man sich sieht. Kuss auf die Stirn.
euer Wilhelm